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Freitag, 22. November 2013

Anbetung machen oder Gott feiern?

Angenommen, folgende Arbeitshypothese trifft zu:

Wofür es keine angemessen Sprache gibt, das gibt es auch nicht richtig. Wenn wir Probleme haben, etwas zu benennen, dann weist das auf ein Problem der betreffenden Sache hin.

Angenommen, das trifft zu – dann stimmt etwas mit der Anbetung der Christen nicht.

Wenn meine Kinder oder andere Teens in ihrem Alter über einen schönen, erfüllenden Gottesdienst berichten, dann sagen sie zum Beispiel: „Und dann haben wir noch Anbetung gemacht.“ Ich stolpere über diesen holprigen Ausdruck (der keineswegs nur von der Teen-Generation verwendet wird): „Anbetung machen.“

Es klingt so, als gäbe es kein angemessenes Verb dafür. So ähnlich, wie manche sagen: „Dann haben wir noch Liebe gemacht“ und Sex meinen. Der häufigere Ausdruck dafür ist: „Sex haben.“ Auch kein vernünftiges Tätigkeits-Verb. Das besitzanzeigende Wort „haben“ klingt verdächtig.

Zurück zur Anbetung: Viele der dafür verwendeten Verben klingen nach Verlegenheitslösungen. Manche flüchten ins Englische und „worhsippen“. Andere gebrauchen das Verb „anbeten“. Aber auch das ist seltsam. Es wird dann auf der zweiten Silbe betont. Andere zusammengesetzte Verben mit „an“ betont man doch auf der Vorsilbe: anstreichen, anklagen, anhimmeln, ansprechen. Warum ist das bei der AnBEtung anders? Was stimmt nicht mit diesem Wort?

Und wenn das Wort ein Signal für die Sache ist – was stimmt nicht mit der Sache?

Ich vermute: Eigentlich ist (fast) immer eine ganz bestimmte Form der Anbetung gemeint. Nämlich das betende Singen einer Reihe von Anbetungsliedern. Wenn man dafür sagen würde: „Wir haben im Gottesdienst Lieder gesungen“, dann klingt das irgendwie zu flach. Es geht ja mehr um das Gebet als um die Lieder. Aber weitgehend ist eben von dieser einen speziellen Art der Anbetung die Rede.

Gott mit Liedern zu preisen ist wunderbar, aber es ist doch nur ein kleiner Ausschnitt aus dem weiten Feld der Möglichkeiten, wie man Gott auch noch anbeten/verehren/preisen/groß herauskommen lassen kann.

In der Stille sich auf ihn konzentrieren. Sein Wesen beschreiben. Die biblischen Namen Gottes nennen. Ihm sagen, was einem fehlen würde, wenn man ihn nicht hätte. Biblische Psalmen nachbeten und mitbeten. Sich bewusst machen, dass die Engel im Himmel einen ununterbrochenen Gottesdienst feiern, sich fragen, warum sie das tun und in diese Gedanken dann einstimmen. Sich überlegen, was das kleinste denkbare Ding und die kleinste eigene Erfahrung ist, die mich zum Staunen über Gott bringt. Und dasselbe dann mit den größten denkbaren Sachen. Gott etwas Wertvolles schenken (etwas ganz richtig Wertvolles – Zeit zum Beispiel!). Gott ehren, indem ich eine Aufgabe für ihn mit größtmöglicher Hingabe erfülle. Briefe an Gott schreiben. Ja, und auch immer wieder singen, weil hier Herz, Seele und Körper in Einheit zusammen wirken und sich auf Gott ausrichten.

Mit so etwas kann man gut eine „Anbetungszeit“ füllen, aber fest umrissene Anbetungszeiten können so auch ganz gut gesprengt werden. Dann sind sie offen für den Alltag.

Ist das Sprach-Defizit im Blick auf die Benennung von „Anbetung“ ein Zeichen für ein formales oder inhaltliches Defizit? Wenn ja, wäre das keine schlechte Nachricht, denn dann gäbe es ja noch viel Neuland zu entdecken.

Und wie nennen wir das Ganze dann? Warum nicht einfach „Gott feiern“? Das wäre eine ziemlich un-religiöse, alltagsnahe Benennung. Ein Geburtstagskind und eine Jubilarin feiert man ja auch; es gibt gefeierte Stars, gefeierte Sieger, und wenn man einen Anlass in großem fröhlichen Rahmen begehen will, dann feiert man richtig ab.

Ich selbst muss mich – wie viele andere wahrscheinlich auch – oft erst mal gedanklich zu Gott hinbewegen. Meine Seele für ihn öffnen, mein Herz zu ihm erheben. Das ist durchaus erst mal eine Aktivität meinerseits, ich mache etwas. Aber eher mache ich MICH bereit als dass ich schon „Anbetung mache“. Wenn ich dann bereit bin (und daneben auch sonst ganz oft im Alltag) will ich Gott feiern, auf allerlei Weise, damit er groß rauskommt.