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Montag, 16. November 2015

Wie gut muss Kirche sein?

Relevante Gemeinde sein. Unsere Zeitgenossen mit dem Evangelium so erreichen, dass es sie wirklich erreicht. Das ist der Wunsch vieler Gemeinden und ihrer Mitglieder und Leiter. Um dorthin zu kommen, muss man sich schon reinhängen, das ergibt sich nicht nebenbei.

Wie aber sieht dieses „Reinhängen“ aus? Wie viel sollte man dafür geben? Ein Wort, das in diesem Zusammenhang immer wieder genannt wird, ist:

Exzellenz.

Mitarbeiter sollen in ihrem Bereich Exzellenz anstreben, um die beste Botschaft der Welt auf bestmögliche Weise zu kommunizieren. Damit ist schon gesagt: Es ist keine Perfektion gemeint. Es gibt keine von außen gesetzte Messlatte. Sondern das Beste, was jeder – individuell – geben kann, soll sie und er auch geben.

Ist Exzellenz ein sinnvolles Ziel? Ist Exzellenz nötig, um relevante Gemeinde zu sein? Kann man sich – und seine Mitarbeiter – auf Exzellenz verpflichten? Könnte man etwa sogar darüber predigen: „Gott will Exzellenz“?

Ich meine, diesem Ziel liegen einige gute Einsichten zugrunde, aber theoretisch enthält es auch eine Gefahr. Die Gefahr, dass man dasselbe Wort für eigene Ziele, Programme, Ambitionen einspannen kann – und seine Leute dann darauf verpflichtet. Gott sei Dank lebe ich in einer Gemeinde, wo ich diese Gefahr konkret nicht sehe. Dennoch macht mich dieser Wert, Exzellenz, nachdenklich.

Wie würde die Bibel das ausdrücken, was wir mit Exzellenz meinen? Gäbe es überhaupt einen entsprechenden Ausdruck? Ich sehe drei Zusammenhänge:

1. Hingabe

Hingabe richtet sich – biblisch recht verstanden – zuerst und zuletzt auf Gott. Er ist es, den wir lieben sollen: von ganzem Herzen, mit ganzer Hingabe, mit all seiner Kraft und mit seinem ganzen Verstand (Lk 10,27). Zu dieser Hingabe gehört außer der Liebe auch die Anbetung. Der Dienst als Lebenshaltung. Treue. Und Leidensbereitschaft.

2. Haushalterschaft

Nachfolger von Jesus sind berufen, Haushalter zu sein und haushälterisch mit ihrem Gaben und Möglichkeiten umzugehen. Dazu gehört eben Verantwortung. Weisheit. Ein Bewusstsein davon, was ich kann und was nicht. Ich setzte Grenzen und halte Grenzen ein. Und fülle den Raum innerhalb der Grenzen aus. Ja und Nein, tun und lassen. Altes und Neues verwalten und einsetzen (Mt 13,52).

3. Berufung

Die Berufung der Jesusleute besteht zunächst darin, mit Gottes Sohn verbunden zu sein, mit unserem Herrn Jesus Christus (1Kor 1,9). Von da aus gibt es individuelle Berufungen. Begabungen. Die Befähigung durch Gottes Geist und den Rückenwind durch ihn. Aus der Berufung ergibt sich Konzentration. Und Glaubensgewissheit.

Diese drei biblischen Zusammenhänge sind grundlegend.

Und Exzellenz?

Exzellenz ist für mich der Schnittpunkt dieser drei biblischen Begriffe. Spielen Hingabe, Haushalterschaft und Berufung zusammen, dann wird man exzellent arbeiten.


In Exzellenz sehe ich nun aber nicht den „Gipfel“, die Krönung dieser drei Begriffe. Sondern eher ein Produkt – eins unter anderen. Es ist ein abgeleiteter Wert, eine Haltung zweiter Ordnung. Exzellenz ist vor Gott nicht gleichwertig mit Hingabe, Haushalterschaft und Berufung. Über die drei letztgenannten Dinge kann man predigen. Über Exzellenz an sich eigentlich nicht. Die Gefahr wäre zu groß, dass ein zweitrangiges Ziel zum Willen Gottes erklärt wird und – ja, dann vielleicht doch – die Verkündigung des Wortes Gottes zu direkt für strategische Etappenziele in der Gemeinde eingespannt wird. Über Exzellenz kann man lehren, Seminare halten, diskutieren. Aber nicht predigen. Exzellenz ist nicht so nah am Herzen Gottes wie Hingabe, Haushalterschaft und Berufung.

Und auch die Barmherzigkeit ist näher am Herzen Gottes als Exzellenz. Es gibt zu denken, dass gerade diese beiden Sätze in der Bibel sachlich parallel stehen: „Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“„Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist!“ (Mt 5,48; Lk 6,36). Wenn Exzellenz, dann keine unbarmherzige!

Und doch: Immer wird es Situationen geben, wo Exzellenz das Gebot der Stunde ist – wenn und weil man als Jesusnachfolger sich an Gott hingibt, haushälterische Verantwortung lebt und sich seiner Berufung bewusst ist. Für eine konkrete Aufgabe gibt man alles. Weniger einzusetzen, halbherzig arbeiten, das wäre dann Untreue. Aus der Liebe zu Gott ergibt sich dann Liebe zur Sache. Aber man wird beides nicht miteinander verwechseln.

Wie gut muss Kirche sein?

So gut es irgend geht, um Gott zu ehren und den Menschen zu dienen. Einer solchen Kirche wird man abspüren, dass es ihr nicht um Leistung geht. Nicht um Perfektion. Und auch nicht darum, dass sie gleichzieht mit den zeitgenössischen Standards, um nicht als Depp dazustehen. (Wenn Hingabe, Haushalterschaft und Berufung zusammenspielen, kann manchmal gerade das Ergebnis sein, dass man bereit ist, für Jesus als Depp dazustehen.) Wenn Kirche richtig gut ist, wird ihre Exzellenz gar nicht besonders auffallen. Weil es das größte Anliegen dieser Exzellenz ist, den Blick auf Christus zu lenken.

Montag, 21. September 2015

Wieso rauchen die Berge?

Rauchende Berge in der Bibel – wie soll man sich das vorstellen? Erwähnt wird dieses Phänomen nicht nur in Zusammenhang mit dem Berg Sinai, als Gott sich offenbarte und dann die Gebote gab (2. Mose 19). Auch in den Psalmen wird zweimal gesagt, dass Gott die Berge anrührt, sodass sie rauchen (Psalm 104,32; 144,5).
Welche Vorstellung steckt dahinter? Gibt es Beobachtungen, anhand derer die Psalmisten ihre Worte gewählt haben können? Ich habe bisher immer an Vulkane gedacht – aber gab es die in der Region Israels? Erdbeben durchaus – längs durch Israel verläuft ein Ausläufer des Großen Afrikanischen Grabenbruchs. Aber Vulkane? In Syrien vielleicht – wobei, wenn ich die Liste in Wikipedia richtig lese, kein Ausbruch in biblischen Zeiten belegt ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_von_Vulkanen#Syrien).
Nun habe ich allerdings ein Video vom großen Erbeben in Nepal 2015 gesehen. Von einer Berghöhe hinab wurde in einige Täler gefilmt – und man sieht gewaltige Staubwolken, die offenbar von Schuttlawinen erzeugt wurden. Hier „rauchen“ die Berge wirklich.

War das die Erfahrung der biblischen Psalmbeter – ein Erdbeben, verbunden mit gewaltigen Staubwolken? Wenn ja, dann könnte eine biblische Redeweise anschaulich werden.

Mittwoch, 9. September 2015

Scheera

Scheera war die Tochter von Ephraim, einem der Stammväter Israels. Eine außergewöhnliche Frau, die ganz anderes tat als das, was man von Frauen erwartete.

Tochter Ephraims – eine Ephraimstochter? Da gab es doch … genau: Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Ephraimstochter Langstrumpf. Das Mädchen, das Bärenkräfte hatte und sich nie um das scherte, was sich gehörte. Eine Ephraimstochter – und jetzt auch in der Bibel?

Ephraim hatte zunächst drei Söhne: Schutelach, Eser und Elad. Die waren mutig und unternehmungslustig, aber am Ende hatten sie sich verschätzt: Ihre Gegner waren zu stark für sie.
„Sie wurden getötet, als sie versuchten, Vieh von den ortsansässigen Bauern bei Gat zu stehlen. Ihr Vater Ephraim trauerte lange um sie und seine Verwandten kamen, um ihn zu trösten. Danach schlief Ephraim wieder mit seiner Frau und sie wurde schwanger und bekam einen Sohn. Ephraim nannte ihn Beria, wegen des Unglücks, das über seine Familie gekommen war.“ (1. Chronik 7,21-23)

Ein Familiendrama – eine traumatische Erfahrung für den Vater. Der vierte Sohn trägt das aus, auch durch seinen Namen, in dem das Wort für „Unheil“ anklingt. Es war damals in Israel nicht ungewöhnlich, Kinder nach erschütternden Ereignissen zu nennen: Ikabod hieß so, weil Gottes Herrlichkeit aus Israel ausgewandert war; Jabez’ Name erinnerte daran, dass seine Mutter ihn mit Schmerzen geboren hatte. Aber wie diese Jungs mit ihren Namen zurechtkamen, ist nicht überliefert.

Für Vater Ephraim war die Welt jetzt wohl wieder einigermaßen in Ordnung. Ein Sohn war wieder im Haus. Aber …
Ephraim hatte auch noch eine Tochter: Scheera. (Gesprochen: Schä-ärá.) Ob sie erst nach den drei getöteten Söhnen zur Welt kam, wird nicht berichtet. Vielleicht lebte sie auch schon vorher – dann schien sie aber als Tochter nicht groß ins Gewicht gefallen zu sein, zumindest war sie kein Trost für den Vater, dem es auf einen lebendigen Sohn ankam.
„Ephraim hatte eine Tochter namens Scheera. Sie erbaute das untere und das obere Bet-Horon und Usen-Scheera.“(1. Chronik 7,24)

Man muss schon zweimal hinsehen, um zu erfassen, was hier so beiläufig in den Bericht eingestreut wird: Scheera war eine Städtegründerin und zog drei Städte hoch. Als Frau. Im Schatten der toten Brüder und des lebenden Bruders. Schatten … der war allerdings nicht so dunkel, das sie völlig darin verschwunden wäre. Der Bericht der Bibel beleuchtet wenigstens, was sie tat.

Eine Städtebauerin: Damit spielt sie in der Bibel in der gleichen Liga wie Nimrod, der erste Gewaltherrscher auf Erden, wie Josua, der Nachfolger von Mose, und wie Salomo, der König mit dem größten Reich in der Geschichte Israels (1. Mose 10,11; Josua 19,10; 1. Könige 9,17). Wie sie das gemacht hat? Hat sie selbst Lehm gerührt und Ziegel geschichtet? Oder eher die Pläne gezeichnet? Oder Handwerker akquiriert und die Logistik verwaltet? Oder alles zusammen? Hier liegt wieder Schatten über ihrer Geschichte – man weiß es nicht.

Eins aber ist klar: Sie muss eine weitblickende Strategin gewesen sein. Denn zwei der Städte, die sie baute, das obere und das untere Bet-Horon, sind strategisch außerordentlich günstig gelegen: am unteren und oberen Ende einer engen Passstraße. Wer hinauf auf die Höhe oder in Gegenrichtung ins Tal wollte, konnte nur diesen Weg nehmen und musste die beiden Städte passieren. Für Handelswege und Verteidigung waren solche strategischen Orte unschätzbar wertvoll. In mehreren Feldzügen spielte die Doppelstadt eine Rolle.

Wer die Familiengeschichte von Ephraim weiter liest, arbeitet sich durch eine Reihe von Namen und Generationenfolgen vor bis zu Josua, dem Sohn von Nun (1. Chronik 7,27). Dieser Nachfolger von Mose also war ein x-ter Urenkel von Ephraim. Kurze Zusammenfassung zur Erinnerung: Ephraim war Enkel und dann Adoptivsohn von Jakob. Er und seine Brüder – die Söhne Jakobs – wurden zu den Stammvätern Israels: Die zwölf Stämme tragen ihre Namen. Die Familien dieser Zwölf gelangte auf abenteuerlichem Weg nach Ägypten, vermehrten sich dort außerordentlich und wurden deshalb von den Ägyptern – die Angst vor Überfremdung hatten – als Sklaven gehalten. Gott befreite das Volk schließlich, ließ es eine Generation lang durch die Wüste ziehen – und dann konnten sie sich im Land Kanaan ansiedeln. Jeder Volksstamm füllte ein bestimmtes Gebiet. Josua, der x-te Enkel Ephraims, leitete das an. So die zusammenfassenden Überblicksberichte der Bibel.

Zum Gebiet des Stammes Ephraim gehörte unter anderem auch eine geografisch sehr günstig gelegene Doppelstadt: Bet-Horon. Die Gründung von Scheera. Jahrhunderte lang war Israel weit entfernt von diesem Land gewesen (als es in Ägypten lebte), aber jetzt, nach Generationen, kamen sie zurück – und Bet-Horon kam zum Stamm Ephraim zurück. Eine unglaubliche Nachwirkung dessen, was Scheera getan hatte. Die Doppelstadt Bet-Horon war seitdem so hochgeschätzt, dass König Salomo sie später selbst zu Festungen ausbaute.

Ephraim, möchte man ihn fragen, wusstest du, was du für eine Tochter hast? Hast du mitbekommen, was die auf die Beine gestellt hat? Oder hast du dich auf deine Söhne konzentriert und alles war gut, als du endlich wieder einen bekamst? Ephraim, mach die Augen auf und schau mal hin, was deine Tochter Scheera für eine Frau ist!
Und falls du gemerkt hast, was Scheera drauf hatte – warst du dafür oder dagegen gewesen? Hast du sie desinteressiert machen lassen oder hast du sie ermutigt und gefördert? Oder – was vielleicht die schlechteste aller Möglichkeiten wäre – warst du erst dagegen, hast dann aber mit ihr angegeben, als sie es geschafft hat?

Scheera, wie kamst du nur auf die Idee, drei Städte zu bauen? Hast du darum kämpfen müssen, dass man deinen Plänen folgte? Hättest du geahnt, was für eine unfassbar lange Nachgeschichte dein Werk haben würde? Dass dein Volk Generationen später davon profitieren würde?

Und du, Berichterstatter des Chronikbuches, was hast du gedacht, als du die Notiz über Scheera fandest? Warst du verblüfft, vielleicht sogar begeistert von dieser Frau? Oder konntest du dir gar nicht vorstellen, warum dieser Hinweis in das Generationenverzeichnis der Männer eingestreut war? Ob du einen Moment in der Versuchung gestanden hast, diese Notiz unter den Tisch fallen zu lassen? Oder hast du es mit Ehrfurcht niedergeschrieben – Ehrfurcht davor, dass es einen Gott gibt, der Menschen nicht eingrenzt in das, was man allgemein von ihnen erwartet, sondern der jeden persönlich nach seinen Möglichkeiten und Grenzen leben lässt, der jedem ins Herz sieht und dem es darauf ankommt, dass jeder das auslebt, was Gott in ihn hineingelegt hat? Der wollte, dass eine Scheera ihre Städte baute?

Gott sei Dank, dass der Hinweis auf Scheera nicht verloren ging, sondern seinen Platz in Gottes Wort gefunden hat: als Erinnerung daran, dass Ausnahmemenschen immer ihren Raum vor Gott haben, dass die Wirkung des eigenen Tuns und Lassens hoffnungsvoll weit über die eigene Lebenszeit hinaus reichen kann und dass es weise ist, genau hinzusehen und über das Besondere von Menschen zu stolpern.

Sonntag, 16. August 2015

Wie Gott unterschiedliche Charaktere gebraucht

Die Propheten Elia und Elisa in ihrem Miteinander und Nebeneinander

Die Propheten Elia und Elisa gehören eng zusammen. Nicht nur ihre Namen sind ähnlich. Elisa ist der Nachfolger Elias und setzt sein Wirken fort. Elia selbst hat, auf Gottes Anweisung hin, Elisa als Nachfolger berufen.

Ein Einzelgänger


Doch vom Wesen her sind diese beiden Männer völlig verschieden. Elia ist ein Solist, ein Einzelgänger. Er steht oft in Opposition zum König und zu den Priestern seines Volkes. Er geht seinen Weg ohne Begleitung. Gott versorgt ihn in der Einsamkeit, zum Beispiel durch die Raben am Bach Krith. Elia kann sich zwar fürsorglich um andere kümmern und er ist immer wieder auch auf die Hilfe anderer angewiesen. Aber im Mittelpunkt seines Lebens steht nur sein Auftrag. Andere Menschen einzubeziehen ist nicht sein Ding. Neben ihm gibt es durchaus viele andere Propheten, die Gott ebenso treu sind wie Elia. Eigentlich weiß Elia auch davon. Aber das spielt in seinem Denken keine Rolle, er sieht sich (fälschlich) als Einzelkämpfer und schätzt seine Lage manchmal so ein, als ob alle Welt um ihn herum gegen ihn ist. Insbesondere legt Elia keinen Wert darauf, andere Propheten in sein Wirken einzubeziehen. Er hat keine Schüler um sich – nur einen Diener, doch auch den lässt er irgendwann zurück, ohne dass deutlich wird, was aus dem dann wird.

Dieses Verhalten, dieser Lebensstil hat sicherlich viel mit der besonderen Berufung Elias zu tun. Gott hat ihn nicht beauftragt, eine Prophetenschule anzuführen. Doch längst nicht alles am Verhalten Elias ist in seiner Berufung begründet. Vieles hat auch einfach mit seinem Charakter, zum Beispiel mit seiner besonderen Willensstärke, zu tun.

Ein Mensch für die Gemeinschaft

Elisa ist der Nachfolger von Elia. So wollte es Gott. Und diesen Propheten treffen wir in vielen Momenten in der Gemeinschaft von Prophetenschülern an. Zu Elisas Wirken gehört es, andere konsequent einzubeziehen, sie anzulernen, mit Aufgaben zu betrauen und sie zu unterstützen. Elisa ist ein Mann Gottes, der über den Tag hinaus wirkt und der eine Bedeutung für die Generation nach ihm haben soll und auch haben will.

Auch hier kommen sicherlich beide Faktoren zusammen: Gottes besondere Berufung und der Charakter, die Wesensart dieses Propheten.

Zunächst ist an diesen beiden unterschiedlichen Dienern Gottes also zu sehen, wie Gott verschiedene Charaktere gebraucht: mit ihren Gaben und Grenzen, ihren Möglichkeiten und Schwächen. Es gibt Gemeinschaftsmenschen und es gibt auch Solisten in Gottes Reich. Es gibt Menschen, die für „heute“ prägend sind, und andere, die die Menschen von „morgen“ prägen. Es gibt sachorientierte und menschenorientierte Leute.

Von den Grenzen des Solisten


Allerdings zeigt gerade Elia auch die besondere Gefährdung von Einzelgängern. Gott hat ihn als Einzelgänger in den Dienst genommen, aber an einigen Stellen wird deutlich, dass Elia nicht auf der Höhe von Gottes Sicht ist. Dass Gott ihn doch mit mehr Menschen umgeben hat. Und dass es ungünstig ist, sich so zu isolieren.

Das eine Beispiel ist schon angeklungen. Elia irrt sich, wenn er meint, er allein sei als treuer Nachfolger Gottes übrig geblieben. Nicht nur dass Gott ihm erklärt, er habe siebentausend treue Menschen übrig gelassen. Das konnte Elia vielleicht nicht wissen. Aber da waren ja auch noch die hundert Propheten, von denen Elia Kenntnis hatte. Dieses Wissen hätte helfen können, ihn vor der Sackgasse der Verzweiflung zu bewahren.

Auch sein Umgang mit Elisa scheint fragwürdig und Elisa hätte eigentlich mehr Zuwendung von Elia verdient. Elias Auftrag lautete, Elisa zum Propheten zu salben. Doch was Elia tut, ist weit weniger: Er spricht Elisa eine Berufung zu, deutet mit der Geste des Prophetenmantels auch die Bestimmung zum Propheten an, aber Elisa wird dann erst einmal bloß der Diener von Elia – nicht mehr.

Erst später, als sich abzeichnet, dass Elias Leben zum Abschluss kommt, wird Elisa richtig zum Propheten eingesetzt. Vorher versucht Elia merkwürdigerweise, seinen Nachfolger auf dem Weg abzuschütteln. Erst ganz zum Schluss erlaubt er ihm eine Bitte. Und Elisa erbittet den doppelten Anteil von Elias Geist. Auch hier scheint Elia sich zu sperren und gibt nur eine unverbindliche Antwort. Es sei etwas Schweres, was Elisa erbeten habe. Man fragt sich, worin die Schwierigkeit liegt, wenn Elia doch längst von Gott den Auftrag bekommen hat, Elisa zum Propheten zu salben – und Salbung bedeutet ja auch, dass Heiliger Geist „aus-geschenkt“ wird. Elisa könne nur abwarten, ob sein Wunsch sich erfüllt oder nicht – mehr hat Elia seinem Diener nicht zu sagen.

Der Mann, der kein Vater sein wollte

Offenbar hatte Elisa aber mehr im Sinn als nur die Einsetzung zum Propheten. Der doppelte Anteil, um den er bittet, ist der Anteil für den Erstgeborenen. So ist es im biblischen Erbrecht bestimmt – der Erstgeborene wird in seiner Vorrangstellung bestätigt, indem er den doppelten Anteil des Erbes bekommt. Elisa äußert also die Bitte eines Sohnes um den Segen. Elisa wendet sich an Elia nicht als Propheten, sondern als Vater. Genauso lautet denn auch sein Ruf, als Elia zum Himmel hin verschwindet: „Mein Vater, mein Vater!“ Vielleicht kein unangemessener Wunsch, nachdem Elisa damals seinen eigenen Vater, seine eigene Familie verlassen hatte, um Elias Diener zu werden.

Doch dieser Bitte hat Elia sich entzogen, indem er eben nur so unverbindlich antwortete. Bis zuletzt bleibt er der Solist, der kein Vater sein will. Das einzige, was er Elisa hinterlässt, ist sein Prophetenmantel. Damit beginnt Elisa nun sein Wirken als Prophet. Darin wird er bald dem Elia ebenbürtig sein. Und er wendet sich den jüngeren Propheten, den Prophetenschülern zu. Er schenkt anderen eine Erfahrung, die er selbst so nicht gemacht hat.

In den Erzählungen der Bibel werden diese Umstände einfach berichtet. Manchmal stellt der biblische Erzählfaden einen Zusammenhang her (zum Beispiel als Elia zu Unrecht sagt, er sei allein übrig geblieben). Manchmal sind die Zusammenhänge kaum angedeutet. Die Bibel bewertet das Verhalten Elias und die Rolle Elisas nicht. Aber vielleicht sind auch diese Erzählungen dazu gedacht, dass man über sie nachdenkt und dass man als verstehender Hörer oder Leser selbst auf die Maßstäbe Gottes kommt, an denen das Verhalten der beiden Propheten gemessen werden kann.

Unter dem Strich bleiben diese Beobachtungen:

Gott gebraucht Menschen sehr unterschiedlichen Charakters: Einzelgänger und Beziehungsmenschen.

Und: Einzelgänger können nicht selten in der Gefahr stehen, einen Segen zu verpassen, den Gott durch sie weitergeben wollte.

Und: Gott kann Menschen wie Elisa ein segensreiches, erfülltes Leben schenken und sie für sein Reich gebrauchen, auch wenn sie von der Generation vor ihnen nicht alles mitbekommen haben, was sie hätten bekommen können.



(Die biblischen Erzählungen stehen in 1. Könige 17—19 und 2. Könige 1,1—6,7.)

Donnerstag, 30. Juli 2015

Unterschiedliche Berufungen – unterschiedlich weiter Blickwinkel

Die Propheten Sacharja und Haggai lebten und wirkten zur selben Zeit (siehe Sach 1,1; Hag 1,1) und sprachen in dieselbe Situation und zu denselben Menschen: Als nach der Rückkehr aus dem Exil zwar das normale Leben funktionierte, aber der Tempel noch nicht aufgebaut war, ermunterten sie das Volk, den Tempelbau in Angriff zu nehmen. Speziell der Statthalter Serubbabel und der Hohe Priester Jeschua wurden von den beiden Propheten angeredet.

Die Botschaft dieser Propheten war im Kern dieselbe (vgl. Sach 8,9-13 mit Hag 1,5-11; 2,5-19). Doch es besteht auch ein bemerkenswerter Unterschied. Haggai konzentriert sich ganz auf das, was aus Gottes Sicht jetzt getan werden muss: Man soll anfangen, den Tempel zu erbauen. Die Führungspersonen Serubbabel und Jeschua sollen Mut fassen. Dem Volk und dem Tempel steht eine wunderbare Zukunft bevor (z.B. Hag 2,4-9).

Die Botschaft des Propheten Sacharja unterstützt Haggais Verkündigung und bestätigt sie. Doch zugleich geht Sacharjas prophetischer Blick immer wieder weit über die Gegenwart und über die nächstliegenden Aufgaben hinaus. Er blickt nicht nur nach Jerusalem, sondern auf die ganze Erde (Sach 6,1-8). Er bekommt eine Zukunft gezeigt, die alle gegenwärtigen Vorstellungen übersteigt (9,9-10; 12,6-9; 14,1-19). Das, was eigentlich der Tempel bewirken soll – Vergebung, Reinigung, Heiligung – wird einmal noch ganz anderes erreicht werden, ohne dass der Tempel eine zentrale Rolle dabei spielt (13,1; 14,20-21).

Aus Haggais Sicht könnte diese weit gesteckte Perspektive wie eine Ablenkung wirken und als ob die Stoßkraft der prophetischen Botschaft geschwächt würde: „Ich versuche hier mit aller Kraft, Serubbabel, Jeschua und das Volk zum Handeln aufzurütteln, damit sie endlich mit dem Tempel anfangen – und du erzählst, dass es irgendwann noch etwas ganz anderes geben wird und dass es auf dem Tempel nicht immer ankommen wird!“ Doch Sacharja könnte antworten: „Ich unterstreiche deine Botschaft voll und ganz und betone auch ihre Dringlichkeit. Doch wir dürfen uns nicht im Heute und Morgen verlieren, wenn Gott übermorgen noch Größeres für uns bereit hat.“

Es wird in Gottes Reich immer Menschen mit beiden Arten von Berufung geben. Die einen – die Haggai-Typen – sind berufen, das heute Wichtige durchzusetzen, und ihre Berufung konzentriert sich auf dieses Ziel. Die anderen – die Sacharja-Typen – haben die Berufung, daneben noch weitere Gesichtspunkte einzubringen und Gottes größere Ziele und Gottes weitere Zukunft zu zeigen. Ihnen hat Gott aufgetragen, an die Vorläufigkeit des Heute und Morgen zu erinnern – so wichtig die Gegenwart auch ist. Sie helfen, dass energische Verantwortungsträger im Reich Gottes ihre Ziele nicht absolut setzen.

Samstag, 20. Juni 2015

Gottes Macht ist jeder Situation gewachsen

Für unterschiedliche Probleme braucht man auch unterschiedliche Lösungen. Es ist klar, dass kaum eine einzige Methode für alle Lagen passend ist. Wohl dem, der auf ein großes Repertoire an Lösungen zurückgreifen kann und dann, wenn es „so herum“ nicht geht, es genau „anders herum“ machen kann.
Bei Gott ist das so. Ich entdecke das im 78. Psalm. Dort heißt es in Vers 13, dass Gott das Meer spaltete. Das ist der Rückblick auf die Befreiung aus Ägypten. Zwei Verse weiter liest man, dass Gott den Felsen spaltete. Das ist ein Rückblick auf die Versorgung während der anschließenden Wüstenwanderung.
An beiden Stellen steht dasselbe Wort: „spalten“. Das ist in den sehr bedachtsam formulierten biblischen Texten kein Zufall. Eine thematische Klammer über drei Verse hinweg ist entstanden. Und sie zeigt, wie Gott arbeitet:
Er spaltet das Wasser, damit trockener Untergrund entsteht, wenn trockener Untergrund lebensnotwendig ist.
Er spaltet den trockenen Untergrund, damit Wasser entsteht, wenn Wasser lebensnotwendig ist.
Gott kann es „so herum“, und wenn „so herum“ nicht zum Ziel führt, kann er es auch „anders herum“.
Wieder mal so eine Psalm-Beobachtung, die mich tief dankbar macht und meine Anbetung weckt.

Freitag, 19. Juni 2015

Die Entstehung der Neues Leben Bibel

Ist die Neues Leben Bibel aus den hebräischen und griechischen Grundtexten übersetzt oder ist sie eine Übersetzung aus dem Amerikanischen?
Eine erste Textfassung ist aus dem Amerikanischen übersetzt worden – dies war der erste Arbeitsschritt im Rahmen eines längeren Prozesses. Im Einzelnen lief die Arbeit folgendermaßen ab:

Zunächst wurde der Bibeltext der New Living Translation übersetzt; die Übersetzerinnen verfügten dabei über hebräische und griechische Grundsprachenkenntnisse. In Fällen, wo verschiedene Übersetzungsvarianten möglich waren, wurde gleich in diesem ersten Übersetzungsgang auf die ursprachliche Grundbedeutung zurückgegriffen.

Danach ging der Text in ein sprachlich-stilistisches Lektorat.

Das Ergebnis wurde danach von Theologen fachlich geprüft. Das Ergebnis dieses Arbeitsgangs war, dass der Text deutlich näher an die hebräischen und griechischen Grundtexte herangezogen wurde, als es zuvor der Fall war. Wo sich Unterschiede zur Referenzübersetzung, der New Living Translation, ergaben, ist das der Urtexttreue geschuldet. – Im Alten Testament geschah die theologisch-fachliche Prüfung oft sogar vor dem sprachlichen Lektorat, um gleich einen einwandfreien Text als Basis für die Weiterarbeit zu haben.

Nach einem Schlusslektorat ging der Bibeltext dann erstmals in den Druck (NT: 2002; ganze Bibel: 2006).

2009 ging die Neues Leben Bibel vom Hänssler Verlag in die Obhut des SCM R.Brockhaus-Verlags über. Dort unterliegt sie seit 2010 einer laufenden Textpflege. Das heißt: Von Auflage zu Auflage werden verbesserungswürdige Stellen neu übersetzt – streng an den Grundtexten orientiert.

Seit 2013 liegt dem Neuen Testament die neueste wissenschaftliche Ausgabe des griechischen Grundtextes zugrunde, also die 28. Auflage des „Nestle-Aland“. Dadurch wurden Neuübersetzungen bestimmter Verse im Jakobusbrief, den Petrus- und Johannesbriefen und dem Judasbrief erforderlich. Die bisherige Übersetzung wird jeweils in einer Fußnote nachgewiesen.

Für die nächsten Jahre ist eine Komplettrevision der Neues Leben Bibel in Planung.

Dienstag, 2. Juni 2015

Der Faszination-Bibel-Redakteur auf dem Kirchentag

Donnerstag, 4. Juni: Teilnahme am Podiumsgespräch unter dem Titel „Vom Wortsalat zur Götterspeise – Neue Bibelübersetzungen und Literatur im Gespräch“
› 15.00 bis 16.30 (die ganze Veranstaltung geht bis 18.00 Uhr)
› Ort: Zentrum Bibel, Hospitalhof, Paul-Lechler-Saal, Büchsenstraße 33
Freitag, 5. Juni: Kurzvortrag zum Thema „Halleluja, die Bibel ist unlogisch! Über die Schönheit der Heiligen Schrift“
› 12.30 – 13.00 Uhr
› Ort: SCM-Stand, NeckarPark, „Messe im Markt“, Zelt 14, Stand C01

Freitag, 5. Juni: Kurzvortrag zum Thema „Wörter sind wie Schwämme. Wie ich biblische Begriffe erfassen kann“
› 16.00 – 16.30 Uhr
› Ort: SCM-Stand, NeckarPark, „Messe im Markt“, Zelt 14, Stand C01

Samstag, 6. Juni: Workshop „Erzählend zur Bibel verführen – Kurzgeschichten als Gleichnisse“.
› 11:00 bis 13.00 Uhr
› Ort: Zentrum Bibel, Hospitalhof, Raum „Johannes Reuchlin“, Büchsenstraße 33
Im Mittelpunkt dieses Workshops stehen einige Kurzgeschichten. Jede von ihnen knüpft an eine biblische Aussage oder ein biblisches Bildwort an und kleidet es in ein neues Gewand ein, nämlich eben in eine Erzählung. Dieser Workshop kann auch einfach eine Anlaufstelle zum Hinsetzen und Zuhören sein und einen Genussfaktor haben – vielleicht eine schöne Oase im Vielerlei des Kirchentags und der Flut von Eindrücken.


 
Wenn Sie mich auf dem Kirchentag sehen – bitte sprechen Sie mich an. Erzählen Sie mir bitte, was Sie am Magazin Faszination Bibel gut finden und was Sie sich anders wünschen würden. Ich möchte vom Kirchentag gern schlauer weggehen als ich gekommen bin. (Damit wir klug werden …)

 

Freitag, 17. April 2015

Neu: Methoden der Bibelauslegung

Neu erschienen:



Der Werkzeugkasten für die Bibelauslegung! Eine lebendig und anschaulich geschriebene Anleitung für die Bibelauslegung mit Tiefgang. Erfahrene Autoren stellen 21 Schritte vor, einem biblischen Text auf die Spur zu kommen. Der Bogen spannt sich vom Textschaubild über die Begriffsuntersuchung und die Einordnung in die damalige Kultur bis zur Anwendung im Hier und Heute. Außerdem wird zum Umgang mit Bibellexika, Atlanten, Kommentaren und Bibelsoftware angeleitet. Für Bibelleser und zur Vorbereitung von Andacht und Predigt.

Mit Beiträgen von:

Dr. Guido Baltes, Prof. Dr. Armin D. Baum, Prof. Dr. Craig Blomberg, Prof. Dr. Thomas Hieke, Prof. Dr. I. Howard Marshall, Angelika Reinknecht, Prof. Dr. Michael Rohde, Dr. Christoph Rösel, Benedict Schöning, Prof. Dr. Julius Steinberg, Prof. Dr. Christoph Stenschke, Hella Thorn, Dr. Ulrich Wendel, Dr. David Wenham

Hier bestellen.

Dienstag, 31. März 2015

Die Jakobus-Schere

Zwei Prinzipien einer Schere: a) Wenn ich die eine Hälfte bewege, bewege ich die andere auch. b) Beide Hälften bewegen sich gegenläufig, entweder zusammen oder auseinander.
Dieses Bewegungsmuster steckt in Jakobus 4,7-8:
„Widersteht dem Teufel, und er wird euch verlassen. Kommt zu Gott, und Gott wird euch entgegenkommen.“
Nehme ich Abstand, nimmt der Teufel Abstand. Gehe ich auf Gott zu, geht er auf mich zu. Meine Bewegung löst in jedem Fall eine Reaktion aus.

Donnerstag, 29. Januar 2015

Passionszeit mit Tiefgang?

Am 18. Februar beginnt die Passionszeit. Wer hier eine Zeit mit Tiefgang erleben und einen berührenden Jesus-Weg gehen möchte, dem empfehle ich mein Buch „Sieben Worte für das Leben“. http://www.scm-brockhaus.de/…/sie…/175354/175354/175354.html Die sieben letzten Worte von Jesus am Kreuz werden in den sieben Passionswochen entfaltet. Obwohl ein Sterbender sie sprach, treffen sie mitten ins Leben. Das habe ich beim Schreiben stark empfunden, als ich über die Worte von Jesus und zugleich über meine eigenen Erfahrungen nachdachte und manches Persönliche in das Buch einfließen ließ. Bei Amazon hat das Buch fünf Sterne. http://www.amazon.de/product-rev…/…/ref=dp_db_cm_cr_acr_txt…