Kommen alle Menschen in den Himmel? Das
ist eine andere Formulierung der Frage, ob Gott alle Menschen
gewinnen wird. Dahinter steht ja fast immer die Sehnsucht und die
Hoffnung, dass es eben so sein wird: dass Gott alle gewinnt, dass
alle einmal bei Gott ankommen – im Himmel.
Ich finde, man kann diese Frage nicht
trennen von einer zweiten:
Wollen alle Menschen in den Himmel?
Wahrscheinlich ja. Zumindest, wenn man
sich den Himmel so vorstellt, wie er in der Bibel z.B. in Offenbarung
21,4 beschrieben wird: „Er wird alle ihre Tränen abwischen, und es
wird keinen Tod und keine Trauer und kein Weinen und keinen Schmerz
mehr geben. Denn die erste Welt mit ihrem ganzen Unheil ist für
immer vergangen.“
An diesem Ziel anzukommen, wünsche ich
nicht nur mir, sondern allen, die ich kenne und liebe. In diesen
Himmel werden vermutlich alle Menschen kommen wollen.
Allerdings ist das ja nur ein
Ausschnitt dessen, wie der Himmel – laut der Bibel – einmal sein
wird. Hier wird sozusagen die Fläche beschrieben, aber nicht der
Mittelpunkt. Der Mittelpunkt wird so aussehen, wie es z.B. in Offb
21,3.22-24 gezeigt wird: In der Mitte ist Gott und das Lamm. Das Lamm
ist eine bildhafte Beschreibung für Jesus Christus – und zwar für
den Jesus Christus, der sich selbst geopfert hat, um die
Menschen zurückzugewinnen und aus der fatalen Bindung an die Sünde
freizukaufen. Aus der Fülle der biblischen Christusbilder wird am
Ende gerade dieses Bild vom Lamm mehrfach betont.
Gott und Christus sind in diesem Himmel
nicht einfach die, die Gutes geben, segnen, Leid besiegen, Schmerz
fernhalten und die Menschen glücklich machen. Sondern im Vordergrund
steht dies: Gott und Christus sind diejenigen, die man anbetet.
„Man“: jeder, der im Himmel ist.
Und gerade so „macht“ Gott die Menschen „glücklich“: Indem
er sie zu der Bestimmung zurückbringt, für die sie geschaffen
wurden. Nämlich: Gott, den Schöpfer anbeten, und zwar auf dem Weg,
auf dem Gott seine Menschen zurückgewonnen hat – durch Jesus.
Wollen alle Menschen in den Himmel? In
diesen Himmel? Werden sie ihr Glück darin haben wollen, Gott
anzubeten? Und Christus, das Lamm? Wie schön, wenn es so wäre. Aber
werden alle das wollen?
Gegenfrage: Wer wollte sich denn dieser
Anbetung noch verweigern, wenn er endlich erkannt hat, dass Gott die
Wahrheit ist und das Christus der Weg, die Wahrheit und das leben
ist?
Angenommen, Gott schenkt jedem Menschen
nach seinem Tod die Gnade, dass er (noch einmal? erstmals?) diese
Wahrheit erkennen kann: dass Gott ihn liebt und dass in Christus
Gott ganze Fülle wohnt. (Diese Annahme ist unter Christen nicht
unumstritten. Zugang zur Erkenntnis Gottes nach dem Sterben halten
manche für möglich, andere für sehr wahrscheinlich, wieder andere
für fast ausgeschlossen. Aber mal angenommen, es wird so sein:) Wird
denn wirklich jeder DIESE Wahrheit ergreifen wollen? Wird jeder sein
ganzes ewiges Leben um einen Retter herum sein wollen, der in den Tod
gegangen ist; der die Macht gerade deshalb hat, weil er sie abgegeben
hat; der gesiegt hat, weil er zum Opfer wurde?
Ich kann mir viele Menschen vorstellen,
für die diese Art von Ewigkeit eher abstoßend ist. Z.B. solche, die
einer Herrenmenschenideologie folgen, die Stärke ausschließlich in
gewalt-haltiger Überlegenheit sehen, die jede Art von Schwäche
widerlich finden und für die „Du Opfer!“ nie ein Ausruf sein
kann, der irgend einen erstrebenswerten Aspekt in sich trägt. Werden
solche Menschen ein „Lamm“ anbeten wollen, das sich geopfert hat?
(Natürlich, Christus ist in der Bibel
weit mehr als das Opferlamm. Er ist auch „der Löwe aus Juda“,
der „helle Morgenstern“ usw. – um nur einmal Konzepte aus dem
Buch der Offenbarung zu nennen. Aber sein sehr charakteristisches
Wesen, eben auch Opferlamm zu sein, wird nicht verblassen innerhalb
der Vielfalt seiner biblischen Bedeutung. Schon gar nicht am Ende, wo
das Buch der Offenbarung gerade das Bild vom Lamm so hervorhebt.)
Ich denke auch an Menschen, die ihren
Monotheismus (ihren Ein-Gott-Glauben) so verstehen, dass neben dem
einen Gott ein Messias absolut lästerlich wäre. (Das trifft für
Juden so wohl nicht zu, denn „Messias“ ist ja eine Vorstellung
und eine Hoffnung, die wir dem Judentum verdanken. Es trifft aber
vermutlich sehr auf Muslime zu. Dass Jesus als geopferter Messias
nicht nur rettet, sondern neben Gott steht, ist allerdings auch den
meisten Juden wohl bisher nicht zugänglich.) Werden solche Menschen
in einem Himmel sein wollen, wo nicht nur Gott unter den Menschen
wohnt – „die Wohnung Gottes ist nun bei den Menschen!“ –,
sondern wo die Herrlichkeit Gottes und das Lamm gemeinsam
alles durchleuchten und durchfluten?
Das Lied des Mose und das Lied des
Lammes, das in der Ewigkeit erklingen wird, lautet: „Wer sollte
dich, Herr, nicht fürchten und deinen Namen nicht preisen? Denn du
allein bist heilig! Ja, alle Völker werden kommen und anbeten vor
dir, denn deine gerechten Gerichte sind offenbar geworden.“ (Offb
15). Der Schluss ist klar: Alle kommen zu Gott. Es ist bemerkenswert,
dass zuvor kein Dogma formuliert wird, sondern eine Frage: Wer sollte
dich nicht fürchten?
Ja, wer denn? Vielleicht nicht zufällig
bleibt diese Frage offen.
Kommen alle Menschen in den Himmel?
Wollen alle Menschen in den Himmel?
Nehmen die Christen, die glauben, dass
alle in den Himmel kommen, wirklich alle Menschen in ihrem Willen
ernst?