Andreas – ein Verwandter von mir – ist Vater von vier Kindern und ich
bewundere, wie er das schafft. Aber noch etwas hat er mir voraus: Er
kennt Joasch. Ich habe den erst bewusst wahrgenommen, als er mir davon
erzählte.
Joasch ist der Vater von Gideon, von dem im
Richterbuch, Kapitel 6–8, berichtet wird. Gideon hatte eine unerwartete
Begegnung mit Gott und bekam den Auftrag, er solle Gottes Volk, die
Israeliten, befreien. Sie waren von Feinden bedrängt. Die erste Aktion
aber richtete sich nicht gegen die Feinde, sondern gegen den
verfälschten Glauben im eigenen Volk: Viele suchten nicht mehr nach
Jahwe, dem Gott der Väter, sondern glaubten an Baal und die Göttin
Aschera. Gideon sollte hier ein Zeichen setzen und den Altar Baals und
das Götzenbild von Aschera verwüsten.
Das Pikante dabei: Der
Altar gehörte Joasch, Gideons Vater. Außerdem lautete der Auftrag
Gottes: Gideon solle für Jahwe einen Stier opfern (das Feuer genährt vom
Holz des Götzenbildes), und auch den Stier sollte er von seinem Vater
nehmen. Gideon hatte also alle Chancen, es sich nicht nur mit dem
eigenen Volk zu verderben, sondern auch mit dem eigenen Vater.
Tatsächlich hatte Gideon Angst vor der Reaktion seiner Sippe.
Dennoch
traute er sich und führte bei Nacht und Nebel die Aktion durch. Doch
schnell kam heraus, wer’s gewesen war. Vater Joasch (seit dieser Nacht
um einen Stier und einen Altar ärmer) sollte seinen Sohn herausrücken,
damit man ihn lynchen kann.
Und nun kommt der Moment, wo Joasch
aus irgend einem Grund über sich hinauswächst, umschaltet, sich völlig
anders als bisher orientiert. Er bricht mit der Loyalität zu Baal und
Aschera und stellt sich voll und ganz hinter seinen Sohn:
»Aber
Joasch erwiderte allen, die um ihn herumstanden: ›Wollt ihr Baal etwa
verteidigen? Wollt ihr ihn retten? Wer für ihn kämpft, soll noch an
diesem Morgen sterben! Wenn Baal tatsächlich ein Gott ist, wird er sich
selbst dafür rächen, dass jemand seinen Altar eingerissen hat!‹ Von da
an wurde Gideon Jerubbaal genannt, das bedeutet: ›Möge Baal sich selbst
rächen‹, weil er den Altar des Baal eingerissen hatte.« (Richter 6,31+32)
Joasch
begreift, dass sein Sohn Gideon ihm eine sehr große Erfahrung mit dem
wahren Gott voraus hat. Er erfasst irgendwie, dass er selbst, Joasch,
auf dem falschen Dampfer war. Plötzlich zweifelt er an seinem bisherigen
Gott und an seiner bisherigen Religion. Er erkennt das an, was sein
Sohn – über ihn hinausgehend – vom Gott der Väter erfahren hat. Er
stellt sich dazu, schützt und fördert seinen Sohn. Auch um den Preis,
dass er jetzt – mit Gideon – gegen das Volk steht. Vom verlorenen Stier
schon gar nicht zu reden.
Für mich ist das ein wunderbares
Beispiel dafür, was Väter richtig machen können: Nicht beim eigenen
Lebensentwurf stehenbleiben, sondern mit den Kindern dort mitgehen, wo
die näher zu Gott gelangen, konsequenter Jesus nachfolgen, besseres
Gespür für Gottes Reich haben. Als Vater nicht nur davon profitieren,
sondern das stärken und – im Rahmen der eigenen Möglichkeiten – weiter
nach vorn bringen. Für Gideon entstand daraus eine neue Facette seiner
Identität: eine wichtige Erfahrung in seinem Leben, die ihm einen neuen
Namen eintrug.
Ich hoffe für Väter wie Andreas und mich, dass wir im richtigen Moment so sind wie Joasch.