Vergangenen Sonntag – am 10.10.10. – war der „Micha-Sonntag“. Er erinnert mit Micha 6,8 an die Gerechtigkeit, die Gott von seinen Geschöpfen erwartet.
Die biblische Schriftlesung im Gottesdienst der FeG Marburg, den ich besucht habe, war der lange Abschnitt aus Matthäus 25,31-46: Jesu Rede vom Weltgericht. Die Menschen treten hier in zwei Gruppen vor den Richter: die Gerechten und die Verfluchten. Das wirft Fragen genug auf. Eine Sache aber sprang mir sofort ins Ohr:
Jesus redet die erste Gruppe an mit: „ihr Gesegneten“. Was meint er damit? Warum sind die, die Liebe praktiziert haben, gesegnet?
Der Segen besteht nicht darin, dass der Richter sie dann belohnt. Die „Belohnung“, die Konsequenz, wird vielmehr anders beschrieben: „Empfangt als Erbe das Reich, das für euch vorbereitet ist.“ Der Gedankengang ist: Ihr habt Zugang zum Reich Gottes <– denn <– ihr habt Liebe praktiziert.
Die Anrede „ihr Gesegneten“ kommt aber noch vorher. Sie bezieht sich nicht einfach auf die Belohnung. Worin besteht der Segen denn dann?
Antwortversuch 1: Diese Menschen sind handfest, materiell gesegnet. Denn sie besitzen etwas, mit dem sie „zu essen und zu trinken geben, beherbergen, bekleiden“ konnten. Sie haben Nahrung, Wohnung, Kleidung – Ausdrucksformen des Segens Gottes.
Antwortversuch 2: Sie sind gesegnet mit einem Leben, das Liebe enthält. Sie waren imstande zu teilen und das ist der Segen. Nicht das „Material“, das sie teilten, sondern die Bereitschaft und die Praxis des Teilens. Ob das dem Sinn des Textes nahe kommt?
Nächste Woche möchte ich hier noch einige weitere Beobachtungen zu diesem Bibelabschnitt zeigen, die meine Vermutung noch unterstützen – und weitere Ergebnisse der Rede Jesu zutage fördern.
Für heute habe ich nachzudenken darüber, was es heißt, gesegnet zu sein. In 2. Chronik 31,10 beschreibt der Hohepriester Asarja seine Sicht von Gottes Segen: Man hat materiell etwas für Gott abgegeben, man kam dabei selber nicht zu kurz, man konnte satt werden und es blieb noch etwas übrig. Das ist Segen – einschließlich des ersten Schrittes: Teilen.
Jesus spricht die „Gesegneten seines Vaters“ an. Was heißt: gesegnet sein? Mein Eindruck: Gesegnet ist, wer die Bereitschaft und die Praxis des Teilens in seinem Leben hat. Die Schönheit der Liebe und des Abgebens zu entdecken und daran Freude zu gewinnen – das ist Segen. Das Materielle kommt dann irgendwann auch noch.