Zu meinem neuen Buch „Alltagsbeter.Beten – auch wenn das Leben laut ist“ hat mich meine Kollegin Hella Thorn
neulich für das Magazin TEENSMAG interviewt. Danke für die Gelegenheit, etwas
darüber zu sagen, was mir für das Beten wichtig ist.
TEENSMAG: Uli, du hast
ein Buch über das Beten geschrieben. Wie oft hast du beim Schreiben tatsächlich
auch gebetet?
Dr. Ulrich Wendel: (lacht)
Nicht seltener und nicht öfter als sonst auch.
Ist Gebet etwas, das
man trainieren sollte, damit man am Ende irgendwann mal ein guter Beter ist?
Das kommt darauf an, was für Maßstäbe man hat, ob ich selber mit
meinem Beten zufrieden bin oder ob ich mir mehr wünsche. Wenn ich die Sehnsucht
nach mehr habe, glaube ich schon, dass es wichtig ist, das auch zu trainieren
oder zumindest mich auf die Suche zu machen: Gibt’s andere Arten, andere Formen
oder eine andere innere Haltung, mit der
ich beten kann? Das kommt nicht von alleine; das muss man schon trainieren.
Du sagst von dir
selbst, dass du kein guter Alltagsbeter warst. Woran machte sich das fest?
Ich hatte immer ein schlechtes Gewissen, weil es so viele Anliegen
oder Leute gibt, für die man beten müsste oder denen ich es sogar versprochen
habe. Wobei: Ich hatte mir vor einigen Jahren schon angewöhnt, gar nicht mehr
so viel zu versprechen, ich hab immer gesagt: »Ja, ich bete für dich, ich bin aber
gar nicht so ein großer Beter und ich bete also nur so ein bisschen« – so
sinngemäß (schmunzelt). Und das hat sich wirklich
verändert.
Du gibst zahlreiche
Beispiele, wie man das Beten gut in den Alltag integrieren kann. Manche
funktionieren quasi nebenbei auf dem Fahrrad oder im Bus, andere bedeuten eine
bewusste Auszeit. Welche Methode funktioniert für dich am besten und warum?
Am Effektivsten war, mir auf meinem Weg mit dem Rad zur Arbeit
verschiedene Stationen einzurichten, wo ich für verschiedene Anliegen bete. Was
mir auch immer wieder eine Tiefe gegeben hat, ist das Beten mit der Bibel. Seit
einigen Jahren versuche ich, jeden Tag einen Psalm zu beten und das ergibt eine
große Regelmäßigkeit für mich und, dass mein Gebet nicht nur mit meinen eigenen
Gedanken gefüllt ist, sondern dass von außen, von Gott noch was reinkommt.
Gebet lebt also von
Kontinuität. Was, wenn ich doch mal wieder vergesse zu beten oder wofür ich
eigentlich beten wollte?
Auf meinem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad habe ich für mich sehr
genau definiert: An dieser Brücke bete ich z.B. für denjenigen, dessen
Gebetspate ich bin. Das hab ich auch nie vergessen. Aber es ist mir schon
passiert, dass ich so in Gedanken war, dass ich dran vorbeigefahren bin. Aber
das ist ja auch nicht schlimm. Entweder bete ich am nächsten Tag dafür oder
eben drei Bäume weiter. Die Wiederholung hilft natürlich, sich das einzuprägen.
Was ich am Anfang noch öfter vergessen habe, hat sich nach ein paar Wochen dann
wirklich eingeprägt.
Meinst du, es ist
hilfreich, sich eine Art »Gebetsplan« zu machen, wo man einträgt, für was man
wann beten will?
Bei mir persönlich ist es so, dass ich mit Gebetslisten nicht viel
anfangen kann. Ich habe auch mal versucht, mit Karteikarten, auf die ich meine
Anliegen geschrieben habe, zu beten. Das hat bei mir nicht funktioniert, weil
ich gemerkt habe: Das ist zu groß angelegt, das sind zu viele Anliegen. Und es
dauert so lange, das alles durchzubeten, die Zeit hab ich jetzt grad nicht –
und dann mach ich es erst gar nicht. Da war es für mich hilfreicher, mir kleine
überschaubare Projekte vorzunehmen. Auf meinem Gebetsradweg, habe ich fünf
Gebetsstationen – mehr nicht.
Du schreibst auch,
dass du die Wartezeiten z.B. an der Supermarktkasse oder beim Arzt nun zum
Beten nutzt – man könnte aber doch stattdessen auch Vokabeln lernen, einen
TEENSMAG-Artikel lesen oder mit der Oma telefonieren.
Man muss ja gar nicht immer beten! Ich bin auch ein großer Freund
davon, einfach mal zum Fenster rauszustarren oder meine Gedanken schweifen zu
lassen. Ich habe gemerkt: Ich möchte über den Alltag stärker mit Gott in
Kontakt sein. Aufgrund dieser Sehnsucht habe ich überlegt, welche Lücken ich ab
und zu mal füllen kann. Wenn es mir im Verlauf einer Woche gelungen ist, drei
solche Zeitlücken zu entdecken und die mit Gebet zu füllen, dann war es auf
jeden Fall dreimal mehr als ohne. Das ist ja schon ein Schritt nach vorne. Dann
hab ich immer noch genug Wartezeiten, wo ich sehr bewusst etwas anderes mache;
z.B. auf dem Handy durchgucke, was es für neue Posts gibt.
Kennst du das Gefühl,
mal keinen Bock zum Beten zu haben?
Ja. Und dann mach ich es manchmal auch nicht. Oder ich greife zu
einer anderen Form, z.B. zu einem festgelegten biblischen Gebet. Manchmal merke
ich: Da kommt bei mir nichts ins Schwingen. Oder ich merke: Ich denke über den
Bibeltext nach und bete ihn nicht, was in dem Moment nicht Sinn der Sache ist.
Wenn das also nicht funktioniert, mache ich mir keinen Stress. Ich sehe das
Beten nicht als Muss oder Aufgabe, sondern als Gelegenheit: Probier es mal und
wenn es nicht klappt, dann macht das nix und wenn es klappt, ist es schön.
Würdest du sagen, dass
die innere Haltung, mit der ich vor Gott komme, ausschlaggebend für ein gutes
Gebet ist?
Ja. Es hängt viel davon ab, ob ich mit Freude ins Gebet gehe oder
mit dem Bewusstsein: Jetzt muss ich wieder eine Pflicht erfüllen und wenn ich
das nicht mache, runzelt Gott die Stirn – das ist ja nicht sehr einladend. Auf
der anderen Seite hab ich gemerkt, dass mir äußere Formen auch helfen. Das
ergänzt sich. Wenn ich nur auf meine innere Haltung warte, kann ich manchmal
lange warten. Andererseits, wenn ich mit der Haltung rangehe: Jetzt ist die
Gelegenheit, jetzt musst du die Form erfüllen, ist es schnell nur ein
Abarbeiten der Form – das ist auch blöd. Die innere Haltung und die äußere Form
ergänzen sich. Ehrlichkeit ist das Entscheidende. Ich glaube, dass Gott sich
mehr über ein ehrliches Gebet freut, das kurz ist oder inhaltlich nicht ganz
richtig, das aber in dem Moment eben genau das war, was ich Gott sagen möchte,
als über ein Gebet, das ich versuche so hinzufrisieren, wie ich glaube, dass
das jetzt besonders gut bei Gott ankommen wird.
Was ist, wenn man das
Gefühl hat, Gott antwortet nicht?
Dann würde ich versuchen, etwas anderes auszuprobieren, z.B. mit
anderen zusammen zu beten. Ich würde aber auch überlegen, ob ich die richtige
Erwartung habe. Wie sieht es denn aus, wenn Gott meine Gebete erhört? Es gibt
Gebete, die werden zwar erhört, aber ganz anders als ich wollte. Und es gibt
Gebete, die werden viel später erhört, vielleicht erst in einer Zeit, wo ich
gar nicht mehr dafür bete, weil ich denke, der Fall ist erledigt. Aber Gott hat
einen viel längeren Atem. Er bewahrt die Gebete viel länger auf als ich, aber
ich muss ihm auch die Freiheit geben, was er damit macht, wann er es macht und
wie er es macht.
Hast du in der Zeit
der Entstehung des Buches auch irgendwelche tollen Gebetserhörungen erlebt?
Ja. Jemand hatte zum wiederholten Male eine bescheuerte Diagnose
bekommen und ich merkte: Das zieht ihn wirklich runter. Da habe ich sehr
intensiv für gebetet und irgendwann nachgefragt. Und ja, alles war gut
geworden. Es schien, als ob er da einen Haken dran machen konnte. Es hat mich
total gefreut zu merken, dass er nicht nur körperlich gesünder ist, sondern
auch ermutigt wurde. Das war sehr schön.
Wie kann ich Beten
lernen? Wie werde ich ein guter Beter?
Was ist im Tages- oder im Wochenablauf die Zeit, wo es am
günstigsten ist, wo ich am ehesten unabgelenkt bin, wo es mich am wenigsten
Aufwand kostet? Da würde ich mir eine Zeit einrichten. Dann ist es wichtig,
sich ein kleines Projekt vorzunehmen. Und ich würde auch darüber nachdenken:
Was ist denn die Art und Weise, wie ich Gott am ehesten erlebe? Bin ich jemand,
der in der Aktivität Gotteserfahrungen macht oder im Lobpreis oder in der
Stille oder in der Natur oder über der Bibel oder alleine oder in Gemeinschaft
– und das, wo ich Gott am stärksten erlebe, damit würde ich anfangen. Das heißt
nicht, dass man nicht irgendwann auch mal was Neues entdeckt, aber ich würde
bei der größten Stärke anfangen.
Infos zum Buch hier.