Wie kann ich in Momente der intensiven Gemeinschaft mit Gott kommen? Die Bibel kennt dafür einen Ausdruck, der recht altertümlich klingt: „Gottes Angesicht suchen“.
Was bedeutet das? Was ist Gottes Angesicht? Und müssen wir Gott denn suchen — versteckt er sich etwa vor uns?
Klar ist zunächst: Für die Beter der Psalmen war es eine vertraute Sache, Gottes Angesicht zu suchen (Psalm 24,6). Sie haben Gott so verstanden, dass er dazu eigens auffordert (Psalm 27,8). Die Formulierung „Gottes Angesicht“ ist auch heute Kirchgängern sehr vertraut: Der Schlusssegen des Gottesdienstes spricht davon, dass „Gottes Angesicht über dir leuchten“ möge (4. Mose 6,24-26). Von diesem Bibelwort her wird mir manches klar. Was ist denn ein leuchtendes Gesicht? Da ist ja keine Lampe angegangen, sondern ich sehe hier leuchtende Augen. Strahlen im Gesicht. Großes Wohlwollen mit kleinen Lachfältchen in den Augenwinkeln. Was für ein Segenszuspruch, wenn Gott mich so anschaut!
Gottes Angesicht suchen heißt also: seinen Blick suchen. Blickkontakt aufnehmen. Weil Gott nun nicht physisch und optisch sichtbar für uns ist, können wir ihn kaum anders als im Gebet suchen: Hier ist die Kontaktstelle. Ich suche Gottes Angesicht, indem ich mir im Gebet klarmache, wie er mich ansieht und wohin noch sein Blick gerichtet ist.
Das kann also ein zweifacher Vorgang sein. Zunächst stelle ich mich in Gottes Gegenwart und rufe mir in den Sinn, wer ich in seinen Augen bin. Was und wen er in mir sieht. Welche Identität er mir zuspricht. Grundlage dafür sind die entsprechenden Zusagen aus der Bibel. Danach besinne ich mich darauf, was Gott denn gern in meinem Leben sehen möchte — und darüber hinaus in der Welt. Was seine Interessen sind. Was passieren wird, wenn sein Name geheiligt wird, sein Reich kommt, sein Wille geschieht.
Wie also sieht Gott mich an? Und wohin ist sein Blick noch gerichtet? Das betend zu erfassen — das heißt: sein Angesicht suchen.
Sonntag, 1. Mai 2022
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